Im Dialog mit Profis
Case Managerin Berufsbildung
Alexandra Sauter
Alexandra Sauter arbeitet als Case Managerin Berufsbildung beim Amt für Berufsbildung und Berufsberatung des Kantons Thurgau. In dieser Rolle begleitet sie Jugendliche, bei denen meist ein ganzes System von Eltern, Schulen, Ärzten, Sozialdiensten und weiteren Fachstellen beteiligt ist. Ihre Aufgabe ist es, den Überblick zu behalten, die Fäden zu verbinden und dafür zu sorgen, dass alle Beteiligten gemeinsam am gleichen Strang ziehen – immer mit dem Ziel, den Jugendlichen bestmöglich zu unterstützen.

Mit welchen Herausforderungen begegnen Sie Jugendlichen in Ihrem Bereich, insbesondere im Hinblick auf ihre berufliche Zukunft und Integration in die Arbeitswelt?
In meiner Arbeit erlebe ich oft, dass Jugendliche schon während ihrer Schulzeit immer wieder an ihre Grenzen gestossen sind. Sie haben kaum positive Erfahrungen gemacht und verlieren dadurch mit der Zeit die Lust am Lernen. Das zieht sich bis in die Berufswahl, wo Absagen von Betrieben diesen Frust noch verstärken. Von aussen wirkt das dann manchmal so, als hätten sie keine Motivation. In Wahrheit ist es eine Folge von wiederholten Enttäuschungen und Resignation.
Die Zusammenarbeit mit Eltern ist ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit. Sie sind wichtige Bezugspersonen und können ihre Kinder im Bewerbungsprozess wertvoll unterstützen. Gleichzeitig kennen viele das Schweizer Bildungssystem nicht, weil sie es selbst nicht durchlaufen haben. Dadurch werden manchmal Berufsziele unterstützt, die zum jetzigen Zeitpunkt schwer erreichbar sind. Zusätzlich haben die Mehrfachproblematiken bei Jugendlichen deutlich zugenommen, was oft dazu führt, dass mehrere Stellen involviert sind. Komplexere Krankheitsbilder, häufig mit mehreren Diagnosen gleichzeitig, haben zudem zu deutlich mehr IV-Anmeldungen für berufliche Massnahmen geführt.
Wir sehen auch häufiger Jugendliche, die im bestehenden System keinen Platz finden. Sie passen wegen Sprache, Verhalten oder gesundheitlicher Situation nach der obligatorischen Schulzeit in kein kantonales Angebot. Dazu kommt ein Anstieg des Schulabsentismus, der die Anforderungen an eine Lehre zusätzlich erschwert
Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit Die Chance erlebt und was zeichnet diese aus?
Die Zusammenarbeit mit Die Chance erlebe ich als unkompliziert und zuverlässig. Der Anmeldeprozess ist besonders niederschwellig. Ich erinnere mich gut an eine Situation, in der ich mit einem Jugendlichen im Gespräch war und das Gefühl hatte, dass Die Chance ihn gut unterstützen könnte. Noch während des Termins habe ich dort angerufen, den Fall kurz geschildert und gleich die Verbindung zum Jugendlichen hergestellt. Das hat auf Anhieb funktioniert – schnell, direkt und ohne lange Wege.
Besonders schätze ich, dass die Kommunikation auch während der Begleitung aufrechterhalten wird. Wenn ein Jugendlicher nicht zum Termin erscheint oder gerade eine Schnupperlehre macht, werde ich sofort informiert. Das unterstützt mich in meiner Arbeit enorm, weil ich jederzeit weiss, wo wir stehen.
Die Chance ist für mich ein verlässlicher Partner mit einem Netzwerk, das sprichwörtlich Gold wert ist. Lösungen werden unbürokratisch gefunden, flexibel und immer mit Blick auf die Situation des Jugendlichen. Dabei erlebe ich eine gute Balance zwischen Fördern und Fordern. Die Jugendlichen erhalten Unterstützung, aber sie werden auch in die Verantwortung genommen.
Wichtig finde ich auch die Niederschwelligkeit des Angebots. Es ist kostenlos und somit auch für Familien zugänglich, die finanziell nicht viel Spielraum haben. Vor allem aber bleibt Die Chance langfristig dran – bis zum erfolgreichen Lehrabschluss, ohne zeitliche Begrenzung. Das gibt Jugendlichen Stabilität und Perspektive und macht die Begleitung nachhaltig wirksam.
Welche Entwicklungen oder Veränderungen würden Sie sich wünschen, um Jugendlichen eine noch bessere Chance zu geben?
Für die Zukunft fände ich es hilfreich, wenn es für Jugendliche mit erhöhtem Unterstützungsbedarf mehr praxisorientierte Angebote geben würde. Ein gutes Beispiel dafür sind Programme, bei denen Jugendliche regelmässig in einem Betrieb mitarbeiten können. Solche Angebote könnten aus meiner Sicht weiter ausgebaut werden. Dadurch könnten Jugendliche Erfahrungen sammeln, eine Arbeitsbestätigung erhalten und vielleicht auch eine Beurteilung, die ihnen bei der Lehrstellensuche zugutekommt. An einzelnen Schulen ist so etwas heute bereits möglich. Dort erlebe ich, wie motivierend diese Praxis ist. Gerade schulmüde Jugendliche profitieren enorm davon, weil sie ihre Stärken zeigen können. Gleichzeitig gewinnen auch Betriebe, indem sie jungen Menschen einen direkten Einblick in ihren Beruf geben und so Nachwuchs für sich begeistern.
Eine besondere Herausforderung sehe ich bei Jugendlichen, die bei der IV angemeldet sind. Sie müssen oft monatelang auf einen Entscheid warten und haben in dieser Zeit mehrheitlich keine Tagesstruktur. Niederschwellige Angebote sind kaum vorhanden. Gerade für diese Gruppe wären Übergangslösungen äusserst wichtig.
Von den Eltern erhoffe ich mir mehr Vertrauen in ihre Kinder. Oft wäre es hilfreich, Verantwortung abzugeben und frühzeitig externe Hilfe beizuziehen, wenn etwas nicht klappt. Entscheidend ist, Jugendliche zu befähigen, ihre eigenen Schritte zu gehen und ihnen nicht alles abzunehmen.
Bei den Jugendlichen selbst ist mir wichtig, dass sie offen bleiben und sich auch nach Rückschlägen nicht entmutigen lassen. Verantwortung zu übernehmen, sich auf Neues einzulassen und dranzubleiben, macht oft den entscheidenden Unterschied. Wer diese Haltung entwickelt, schafft es meistens, Schritt für Schritt vorwärtszukommen.